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Donnerstag, 11. Juni 2009

Die gute, alte Wissenschaft...

Umso mehr ich lese und mit anderen Studenten, Diplomanden, Dozenten, ... und den respektiven -Innen spreche wird mir bewusst, dass die Wissenschaft an sich auch keine Institution ist, auf die man sich an sich berufen kann (z.B. in Sprüchen wie "die Wissenschaft hat gezeigt", "Wissenschaftler beweisen", …). Die sogenannte "Wissenschaft" ist in Wirklichkeit ein Gebilde, das aus vielen kleineren und riesigen Instituten und deren geistigen Inhalten zusammengesetzt ist. Die jeweiligen LeiterInnen und sonstigen MitarbeiterInnen der Fachrichtungen begeben diese in eine gewisse Richtung und definieren sie somit auch immer wieder aufs Neue. Klarerweise verändern sich Konzeption und Methoden der jeweiligen Fächer, abhängig von den Personen und deren jeweiligen Beeinflussung. ...Wissenschaftler und -Innen sind eben auch nur Menschen!

Aber wie schaut das Leben eines Institutes in der sogenannt freien Wissenschaft aus? Jede Person, die in einer Funktion innerhalb eines Institutes eingebunden ist, ist klarerweise einerseits am Vorantreiben der Forschungen und andererseits an der Erhaltung ihres Postens interessiert. Dementsprechend bildeten und bilden sich nach wie vor die von den Instituten vertretenen Fachdefinitionen, die auch dem ewigen Kampf ums Überleben ergeben sind. (Es rendieren sich ja nicht alle Fachrichtungen; und gewisse Fach-Positionen sind von anderen, eingebundenen Wissenschaftlern nicht erwünscht.) So geschieht die Teilung der Gewalten und der Wissenschaften, die auch oft zusammenarbeiten; aber es oft nicht tun wollen... oder können?

Einerseits ist die Trennung der Wissenschaften legitim, denn zu einem Thema oder Objekt gibt es mehrere Zugänge. Dementsprechend scheint es sinnvoll, denn so können sich sogenannte Spezialwissenschaften ausbilden, die einen bestimmten Zugang vorantreiben und vertreten. Doch meiner Ansicht nach sollte man sich bewusst sein, dass diese Trennung genauso wie die ganze Konzeption einer wissenschaftlichen Richtung eine Konstruktion der forschenden Menschen ist. Dies äußert sich, wie ich finde, hauptsächlich darin, dass es unter den Fachrichtungen häufig Überschneidungen gibt. Logisch, wenn es sich um dasselbe Objekt handelt (oder?).

Ich denke am Beispiel der Kulturwissenschaften kann man dies klar erkennen:
Es gibt zig Institute und Fachrichtungen, die unter der Kategorie der Kulturwissenschaften fallen können. Es gibt welche (grob und schlecht zusammengefasst), die eher präsentbezogen, sozialwissenschaftlich ausgerichtet sind (wie z.B. Ethnologie) und andere, die eher historisch, antiquarisch arbeiten (wie z.B. die Archäologie). Was sie verbindet ist empirisch klar: diese Scientiae befassen sich mit Kultur, in irgendeiner Form. Aber ansonsten scheint es, dass man diese kaum kombinieren kann. Nicht nur, dass sich diese für ganz unterschiedliche Zeiten, Orte und Menschen interessieren, es sind auch die zugänglichen Quellen ganz unterschiedliche je nach Zeit, Ort und Kultur. Heute ist klar: man kann heute lebende Menschen, die z.B. technologisch ähnliche Kulturerscheinungen aufweisen, wie sie für die Steinzeit erkennbar sind, nicht direkt damit in Zusammenhang bringen (weder evolutionär noch ideel betrachtet).

Die große Frage ist: was ist Kulturwissenschaft?
Und, was ist überhaupt Kultur, und was ist Wissenschaft? Oder besser: was sollten diese sein?
Was diese Begriffe beinhalten liegt allein beim Wissenschaftler, beim Forscher. Er kann diese so ausrichten, dass sie das bezeichnen, was ihm (oder der Wissenschaftlerin, wie es im meinem Fall so ist ;-D) für sein Forschungsziel vonnöten ist. Die Begriffe, Kategorien, Beschreibungen aber auch die Eingrenzung der Forschungsarbeit liegt beim Forscher selbst. (Natürlich auf begründbare Weise!) Was ich definiere, das erarbeite ich auch selbst in dieser Form (ein anderer, aus einer anderen Fachrichtung, mit anderen Schwerpunkten, …, würde vielleicht auf ganz andere Ergebnisse kommen). Und hier merkt man, wie toll die Erkenntnis des Konstruktivismus ist: wir sind alle nur Menschen, auch bei größten Bemühungen die objektivste und weltoffenste Vernunft in die Forschungsarbeit einwirken zu lassen, es ist nur ganz begrenzt möglich nicht sich selbst und das, was einem durch den Lebens- und Bildungsweg widerfahren ist, was man erlebt hat, nicht in eine Arbeit einfließen zu lassen. Die Konzeption der Wissenschaft an sich basiert ebenso darauf.
Warum werden diese Wissenschaften Kulturwissenschaften genannt? Naja, das hat auch mit der Fachdefinition zu tun, die Menschen erschaffen haben.
Nichts ist so, wie es zu sein scheint!

Wenn ich ein Objekt oder Thema oder wie ich es immer bezeichnen möchte vor mir hab und daraus etwas erkennen will, muss ich mit mir bekannten Größen arbeiten, um eine Definition zu erstellen. Was ich nicht kenne, das sehe ich nicht. Oder anders ausgedrückt: was ich kenne, das glaube ich in einer anderen Konstellation wiederzuerkennen. Was ich noch nie gesehen habe, völlig unbekannt, das versuche ich erstmals mit Bekanntem in Einklang zu bringen.
Um es plump zu sagen (ohne jegliche psychologischen, chemischen oder medizinischen Kenntnisse): so funktioniert das menschliche Gehirn!
(vielleicht...)


Meine Tagesweisheit heute (weil ich mir einfach immer wieder denke: warum stellen sich Menschen oft so dumm, oder einfach überheblich an?) ist, ich glaube daran, dass wir die individuelle Dummheit, oder Blindheit, oder Einseitigkeit überwinden (oder zumindest ihr entgegenwirken) können durch den Diskurs mit anderen Menschen: gleichgesinnten, verfeindeten, totale Laien, ... Man kann Erkenntnis schöpfen, egal mit wem man über ein Thema diskutiert. Und man sollte sogar mit möglichst verschiedenen Menschen, mit verschiedenen Vorbildungen, Positionen und Interessen sprechen. Wie bereits gesagt: jeder Zugang zu einem Thema kann zu anderen Erkenntnissen bringen, auf die man selbst vielleicht nicht kommen könnte.
Und das, meine Damen und Herren, sollte Wissenschaft sein. (Ich betone "sollte", weil leider Wissenschaftler eben auch Menschen sind, und häufig nicht miteinander reden "wollen" oder "können"...) Keine abgeschotteten Spezialdisziplinen, sondern Austausch und Zusammenarbeit, sowohl die Forschungsergebnisse als auch Konzepte und Theorien betreffend. Ich denke, das würde einerseits die Vielschichtigkeit der Antwortmöglichkeiten auf konkrete Fragestellungen aufzeigen, als auch die Qualität der fachüberragenden Ergebnisse verbessern.
(…wenn wir mal kollektive Dummheit oder Blindheit oder … ausschließen wollen; was natürlich auch extrem idealisierend ist.)

Auch diese Idee ist ein theoretisches Konstrukt, absolut unbegründet und wankend; aber wohl auch schwer in die Tat umzusetzen. Zumindest wenn man noch beachtet, dass auch jedes wissenschaftliche Projekt finanziert werden muss und der ständige Überlebenskampf der universitären u.a. Institutionen à la wirtschaftliches Marktrecht eingestellt werden müsste... Und selbst dann bleibt es wohl eine Utopie.
Aber das tolle daran: es ist mit keinem Fall das letzte Wort! (Selbst wenn ich eine dieser Koriphäen wäre, nach denen eine Methode oder eine Definition benannt ist!)
Denn wenn wir erkennen, dass wir viel weniger als erhofft erkennen können, ist es auch ein Fortschritt!

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Über mich

Wien, Austria
Junior Researcher at AIT, Austrian Institute of Technology in Vienna.