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Montag, 23. April 2012

PS Keltische Kultur: Diskussion zur keltischen Sprache

Nach einer Zusammenfassung des wissenschaftshistorischen Entstehens der Kategorie der keltischen Sprache und deren Zusammenhang mit völkischen und rassischen Ansätzen, wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit diese mit der Kategorie der keltischen Kultur in Zusammenhang gebracht werden kann.

Ein naheliegender Ansatz, um nach gemeinsamen Nennern zwischen keltischer Sprache und Kultur zu suchen, ist nach Inschriften auf archäologischem Material zu suchen. Somit kann, auf ersten Blick, ein Zusammenhang einer z.B. keltischen Sprache und einer materiellen Kultur gefunden werden.
Dieser Ansatz birgt jedoch ein grundlegendes Problem in sich. Eine typologisch eingrenzbare archäologische Kultur muss nicht zwingend mit der Begrenzung einer geschlossenen sozialen Gruppe zusammenfallen. Trotz direktem Zusammenhang der sprachlichen und archäologischen Kategorien in einzelnen Fundobjekten lassen sich nicht direkt Rückschlüsse auf die Kultur einer bestimmten sozialen Gruppe schließen - oder auf die Sprache, die innerhalb dieser archäologischen Kultur gesprochen wurde.

Außer bei isolierten, nicht von anderen Kulturen beeinflussten sozialen Gruppen (z.B. einzelne Stämme im Amazonasgebiet), fallen die Begrenzungen der Kategorien von Sprache, Kultur und Gesellschaft kaum zusammen. Aber selbst bei isolierten Gesellschaften müssen die Grenzen nicht zusammenfallen. Wir können uns nicht sicher sein, dass diese absolut keinen Austausch mit anderen sozialen Gruppen erfahren haben. Die Suche nach möglichst abgeschlossenen und unbeeinflussten Ethnien hängt stark mit romantischen und idealistischen Vorstellungen eines ursprünglichen, reinen Volkes zusammen.

Hat also die Suche nach gemeinsamen Nennern zwischen linguistischen, althistorischen und archäologischen Quellen überhaupt Sinn? Wäre es besser, die Quellen komplett getrennt zu betrachten, und die Disziplinen Sprachwissenschaft, Alte Geschichte und Archäologie isoliert bleiben zu lassen?

Trotz der methodischen Schwierigkeiten stellt dies für die DiskussionsteilnehmerInnen keine Option dar. Es ist klar, dass alle Sphären von Kultur - Sprache, materielle Kultur, etc. - zusammenhängen. Die Frage ist nur, inwiefern eine Zusammenhang-Herstellung im altertumswissenschaftlichen Kontext möglich ist, und in welchem Rahmen diese sinnvoll ist.

Einerseits müssen traditionelle Kategorien wie Volk oder Ethnie, sowie damit zusammenhängende Konzepte neu durchdacht werden. Hergestellte Begrenzungen und Abgrenzungen, sowie Kontinuitäten sind reine Konstrukte, die im Rahmen der neuen Forschungserkenntnisse kritisch betrachtet werden müssen. Andererseits muss auch der Umgang mit den Quellen zu den antiken Kelten kritisch hinterfragt werden.

Vielleicht können Ansätze, die nicht auf generalisierende Aussagen zielen, sondern sich auf lokale und chronologisch zusammenfallende Elemente begrenzen, weiterführen (z.B. Sprache und materielle Kultur anhand von Ortsnamen und gleich datierbaren archäologischen Funden?). Klar ist, dass neben dem methodischen Problem der Verknüpfung von Informationen aus den unterschiedlichen Quellengattungen auch konzeptuelle Probleme bestehen. Es existieren momentan keine geeigneten Modelle für die Herstellung von komplexen Zusammenhängen zwischen den nur sehr bruchstückhaften und verzerrten Informationen, die die Zeiten überdauert haben.

Ein weiterer Aspekt ist die Art der Überlieferung der Informationen. Die bruchstückhaften Sprachaufzeichnungen, die zur Rekonstruktion von Ursprachen herangezogen werden, sind mit größter Wahrscheinlichkeit von einer patriarchischen Elite verfasst worden, und geben somit auch ein stark einseitiges Bild wieder. In der Linguistik wird versucht die unscharfen und einseitigen Sprachelemente zu einem Gesamt-Modell einer Ursprache zusammen zu fügen, wobei die einseitige Quellenlage dabei nicht immer berücksichtig wird. Diese idealisierten Modelle werden darüber hinaus herangezogen, um kulturelle oder soziale Theorien der Sprecher zu rekonstruieren. Dies wird ebenfalls oft getan, ohne auf die Quellen- und Methodenproblematik einzugehen.

Auch im mythologischen Rahmen spielt die Überlieferungsart eine Rolle (man denke an die Bibel). Und die Herangehensweise an die Mythen ist mit entscheidend, in welchen theoretischen Rahmen sie eingebunden werden. Vergleiche über geographische oder zeitliche Grenzen hinweg hängen vom Ausgangspunkt des Wissenschaftlers/der Wissenschaftlerin ab (z.B. aus sprachlichen Gründen; aus kulturhistorischen Gründen; usw.). Verschiedene Ansätze bzw. Kontextualisierungen können zu unterschiedlichen, mehr oder weniger begründbaren Antworten führen.

Die keltische Sprache (oder Sprachfamilie) ist grundsätzlich ein konstruierter, sprachwissenschaftlicher Terminus, der die tatsächliche Verwandtschaft verschiedener Sprachen von der Antike bis in die Gegenwart bezeichnet. Der direkte Zusammenhang mit den antik bezeugten Kelten - also: die Benennung und die damit einhergehenden Parallelen zu keltischer Kultur und Ethnos - ist ein modernes Konstrukt.

Auch wenn wir als WissenschaftlerInnen diesen Begriff kritisch hinterfragen müssen, so dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass unser eigener Umgang mit solchen Begriffen mit unserem eigenen sozialen und kulturellen Kontext, sowie unserer bewussten Positionierung zusammenhängt. Die Wertung der Kategorie der keltischen Sprachen - wie wichtig oder unwichtig diese innerhalb der Kelten- oder Kultur-Definition ist - hängt schlussendlich mit einem identifikatorischen Prozess, bzw. der Positionierung zur Legitimierung der eigenen Forschungsrichtung zusammen.

Wenn wir vom Kultur-Konzept ausgehen, ist Sprache zweifellos ein wesentlicher Teil von Kultur; in manchen Theorien wird sie sogar als das konstituierende Element von Kultur gewertet. Auch wenn keltische Sprachen keinen direkten Zusammenhang zu den antiken oder modernen Kelten haben, sollte man die Rolle von Sprache für die Konzeption antiker Gesellschaften durchaus miteinbeziehen.

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Über mich

Wien, Austria
Junior Researcher at AIT, Austrian Institute of Technology in Vienna.