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Montag, 7. Mai 2012

PS Keltische Kultur: Diskussion zu "Kelten" in den althistorischen Quellen und dem Begriff des Fremden

Diesmal fand die Diskussion nach zwei Vorträgen statt, die einen Überblick boten über 1) einige althistorische Quellen zu den frühen Kelten und damit zusammenhängende Konzepte wie die keltischer Ethnos und Wanderungen, sowie 2) die Fremdbeschreibungen der antiken Autoren aus anthropologischer Sicht.

Vom Konzept des Fremden als Kategorie ausgehend, die oft als Mittel eingesetzt wird, um der eigenen Kultur einen Opponenten gegenüberzustellen (Selbst- und Fremdpositionierung), startete die Diskussion. Die Definition von Fremdbildern hängt immer mit den kulturellen Vorstellungen und Kategorien der Beschreibenden selbst zusammen, und ist oft durchwegs negativ konnotiert. Das hängt mit dem Prinzip zusammen, dass Individuen und soziale Gruppen von den eigenen kulturellen Kategorien geprägt die Welt wie durch diese gefiltert wahrnehmen. Die eigenen Kategorien und Wertvorstellungen werden automatisch als gegeben und normal empfunden. Was diesen widerspricht oder nicht hineinpasst wird instinktiv als befremdlich und gefährlich wahrgenommen. Die Beschreibung einer fremden Kultur hängt ausschließlich mit der vom eigenen kulturellen Kontext geprägten Betrachtungsweise des Menschen zusammen.

Die Quellen, die uns die antiken Autoren zu den Kelten hinterlassen haben, sind durchwegs solche Fremdbilder. Diese toposhaften Schilderungen dienten nicht dazu ein objektives Keltenbild zu gestalten, sondern wurden als Mittel eingesetzt um die eigenen, mediterranen Kulturen und zentralistisch organisierten Gesellschaften vom Barbaricum rund herum abzugrenzen. Das Keltenbild musste sich in diese Weltsicht einfügen, und wurde zur Untermauerung dieser instrumentalisiert.

Typische kulturelle Elemente wurden herangezogen, um den Gegensatz zwischen mediterraner Zivilisiertheit und barbarischer Unzivilisiertheit zu unterstreichen - beispielsweise die Trunksucht der keltischen Gesellschaften. Dass für die mediterranen Beobachter die Wein - Bier Grenze als Zivilisationsgrenze wahrgenommen wurde, lässt sich auch mit modernen Parallelen vergleichen. Der gesellschaftlich tollerierte Alkoholkonsum (Art und Menge) ist kulturell bedingt. Ein in Mitteleuropa derzeit stark diskutiertes Tabu ist der Cannabiskonsum, im Unterschied zu dem gesellschaftlich verbreiteten, oft stillschweigend akzeptierten Alkoholismus. Die Problematisierung des Cannabiskonsums im Gegensatz zum Alkoholkonsum hängt mit der kulturellen Wertung und Akzeptanz der verschiedenen Drogen innerhalb mitteleuropäischer Kulturtraditionen zusammen.

Auf ähnliche Weise sind auch die uns erhaltenen antiken Fremdbeschreibungen der sogenannten Kelten zu kontextualisieren. Sie wurden durch die Brille mediterraner kulturellen Vorstellungen und Werte niedergeschrieben. Zusätzlich ist auch der politische und historische Kontext ausschlaggebend, in denen die Schriften verfasst wurden. Anekdoten zu keltischen Barbaren wurden oft eingebaut, um das Weltbild oder die politischen Absichten der antiken Autoren zu untermauern.

Die antiken Autoren liefern uns bei weitem kein einheitliches Keltenbild. Obwohl man den geschilderten Gegebenheiten durchaus ein fünkchen Wahrheit zusprechen kann, sind die Informationen nur durch den kulturellen und politisch-historischen Kontext der Verfasser stark verzerrt zu beurteilen. Die Schilderungen ähneln sich nur in der hinsicht, dass die Verfasser die geschilderten keltischen Gesellschaften in den Kontext der wilden Barbaren setzten und diese auch anhand typischer Barbaren-Topoi beschrieben. Hinzu kommt, dass auch die unterschiedlichen Keltenbegriffe nicht einheitlich verwendet wurden. Die Unterscheidung zwischen Germanen und Kelten wurde nicht einheitlich getroffen; schließlich wurden ja alle nördlichen Stammesgesellschaften als Barbaren wahrgenommen.

Was können wir nun also mit den antiken Quellen zu den Kelten anfangen? Sie lassen sich jedenfalls kaum auf eine generelle Beschreibung dessen, wie oder wer die Kelten waren synthetisieren. Höchstens, wie keltische Gesellschaften in das mediterrane Barbarenbild reinpassten. Vermutlich lässt sich anhand dieser Quellen mehr über das mehr oder weniger bewusst von den Griechen und Römern konstruierte keltische Barbarenbild sagen, als über die keltischen Gesellschaften selbst. Wir können versuchen die Texte in einen historisch-kulturellen und politischen Kontext zu stellen, doch konkrete Informationen über keltische Gesellschaften lassen sich nur mit starker Unsicherheit gewinnen.

Die Verlockung Zusammenhänge mit archäologischen Quellen zu finden ist u.a. deswegen groß, weil es sich hier - im Unterschied zu den antiken Texten - um indigene Quellen handelt (die also nicht von der Perspektive von außen beeinträchtigt sind). Hier ist jedoch das Problem der Identifizierung des archäologischen Materials mit einem keltischen Ethnos gegeben. Geographische Vergleiche zwischen Lokalisierungen in antiken Nachrichten und der Verbreitung von archäologischen Kulturen können zwar vorgenommen werden - z.B. frühe Keltenlokalisierungen und Westhallstattkultur. Doch die relativ einheitliche Verbreitung von bestimmten typologischen Element-Kombinationen muss nicht zwingend mit der Verbreitung einer sozialen oder kulturellen Menschengruppe übereinstimmen. Ein weiteres Problem ist die Deutung materieller Kultur aus unserer modernen Sicht.

Belege für die in den antiken Quellen berichteten Kelten-Wanderungen werden auch gerne im archäologischen Material gesucht. Doch auch hier: die Verbreitung von bestimmten Typen oder -kombinationen muss nicht zwingend mit Wanderungen zusammenhängen. Es gibt noch weitere Erklärungsmodelle, wie z.B. Handel oder Akkulturation, die die Verbreitungsmuster erklären könnten. Zudem liessen sich rein von archäologischen Verbreitungsmuster auch andere Wanderbewegungen als die in der antiken Literatur tradierten ausmachen.

Die Mobilität der eisenzeitlichen Gesellschaften sollte nicht unterschätzt werden, doch gilt zu beachten, dass Wanderungen nicht das einzige Erklärungsmodell sein müssen. Die von den antiken Autoren berichteten Wanderbewegungen stellen ebenso Beschreibungen aus ihrer eigenen Sicht dar. Was in den Augen von Römern oder Griechen als Wanderung interpretiert wurde, kann anhand anderer Kriterien und Denkmuster als die der zentralisierten mediterranen Gesellschaften ganz anders wahrgenommen werden.

Zusammenfassend lässt sich aussagen, dass die antiken historischen Quellen vor allem in ihrem historischen, kulturellen und politischen Zusammenhang zu sehen sind. Die von den antiken Autoren tradierten und zitierten Anekdoten wurden zu einem bestimmten Zweck auf eine bestimmte Weise verfasst bzw. übernommen. Ihre Fremdwahrnehmung und ihre eigenen Kategorisierungen verzerren die Informationen zu keltischen Gesellschaften stark.

Hinzu kommt unser eigener historischer, kultureller und wissenschaftliche Hintergrund, der wiederum unser Verständnis dieser Informationen beeinflusst. Neben den vielen Faktoren, die Einfluss auf die antikhistorischen Quellen an sich nehmen, existieren noch weitere Faktoren, die die Deutungsarbeit moderner ForscherInnen wesentlich prägen. Diesen Faktoren sollte in der Formulierung von Modellen und Theorien Rechnung getragen werden.

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Über mich

Wien, Austria
Junior Researcher at AIT, Austrian Institute of Technology in Vienna.