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Montag, 25. Juni 2012

PS Keltische Kultur: Abschlussdiskussion

In unserem letzten Proseminartermin haben wir uns nochmals einen Überblick über die aktuellen Begriffs-Diskussionen (Kelten- und Kulturbegriff) vor Augen geführt und mögliche Anknüpfungspunkte einer kulturwissenschaftlichen Keltologie angesprochen. Die aktuelle Position des Faches an der Universität Wien und mögliche Alternativen wurden auch kurz diskutiert.

Wir alle sind aus unterschiedlichen Interessen zur Keltologie, bzw. zu keltologischen Themen gestoßen. Der wissenschaftliche Zugang, den wir uns angeeignet haben, ist in erster Linie darauf fokussiert, aus den vorhandenen Informationen möglichst realitätsnahe Schlussfolgerungen und Überlegungen zu erarbeiten, die uns die Rekonstruktion eines Kelten-Bildes (oder besser: mehrerer Kelten-Bilder) ermöglichen. Das Konzept der keltischen Kultur kann uns dazu durchaus dienlich sein; es sollte uns jedoch auch bewusst sein, dass uns durch die Fokussierung auf diese Perspektive andere Bereiche auch verschlossen bleiben werden. Ein gutes und nützliches Konzept ist nicht immer das (einzig) richtige (wie uns die Kulturkritik vor Augen geführt hat). Ebenso sollten wir uns der Problematik des Keltenbegriffes bewusst sein und unsere Theorien zu "keltischen" Themen entsprechend überdenken.

Ein wichtiges Fazit der im Proseminar besprochenen Themen ist, dass wissenschaftliche Begriffe und Theorien generell aus einer kritischen Perspektive angegangen, und nicht selbstverständlich und blind akzeptiert und angewandt werden sollten. Theorien und Konzepte werden immer in einem bestimmten Kontext erarbeitet, und sind dadurch auch nur für bestimmte Kontexte brauchbar, bzw. relevant. Ein wichtiger Aspekt ist, dass jegliche Theorie immer auch viele Bereiche ausklammert, die möglicherweise für die Beantwortung von Forschungsfragen auch relevant sein könnten. Zumindest aus einer (extrem) konstruktivistischen Perspektive betrachtet, handelt es sich bei allen wissenschaftlichen Ansätzen um Konstrukte, die von mehreren Faktoren abhängen, die nicht allein mit dem Forschungsgegenstand zu tun haben. Wenn man so will, ist auch Forschungsarbeit ein sozialer und kultureller Prozess.

Das Interesse an "den Kelten" ist auch in der Öffentlichkeit nach wie vor groß. Ein großes Problem, das immer wieder beobachtet wird ist, dass es für Laien, die sich einen "seriösen" Zugang zur Thematik verschaffen möchten, nahezu ein Ding der Unmöglichkeit ist, an "brauchbare" Informationen zu kommen. Besonders im Internet ist ein großes Über-Angebot an esoterischen und pseudowissenschaftlichen Seiten vorhanden; doch auch für ein nicht Fach-Publikum geeignete Publikationen sind kaum vorhanden. Hier besteht für die Keltologie auf jeden Fall Handlungsbedarf: es sollten mehr "pseudowissenschaftliche" Publikationen von Wissenschaftlern verfasst werden, die auf einfache und gut zugängliche Art das in der wissenschaftlichen Praxis erarbeitete Wissen vermitteln. Die Nutzung der neuen Medien sollte auch viel stärker einbezogen werden. Nur durch eine bessere Präsenz im Internet kann dem Über-Angebot an esoterischen (fehl-)Informationen entgegnet werden (beispielsweise durch die Erstellung eines Kelten-Wikis oder ähnlichem).

Ein weiteres Fazit ist die Forderung nach mehr Aktion. Sich nur über Probleme und Missstände zu unterhalten ist zwar ein guter Anfang, jedoch bringt dieser nicht weit, wenn danach eine Handlung aus bleibt. KeltologInnen sollten vermehrt mit ihren Forschungsergebnissen in die Öffentlichkeit treten, damit diese auch rezipiert werden. Dabei ist ein wichtiger Aspekt der Bezug zum Alltag, der auch in Forschungsbereichen, die sich auf ersten Blick gar nicht auf ihn beziehen, hergestellt werden sollte. Schliesslich leben wir im gegenwärtigen Alltag, und wir möchten unsere Forschungsergebnisse anderen Mitmenschen in verständlicher Art und Weise vermitteln. Die Forschungsarbeit, und v.a. ihre Vermittlung sollte sich nicht als etwas vom Alltag abgehobenem verstehen (auch wenn das Forschungsfeld gar nichts alltägliches ist). Mit gutem Beispiel für eine alltagsnahe Vermittlungsarbeit von höchst abstrakten Theorien geht uns Harald Lesch voran (z.B. http://www.youtube.com/watch?v=lsb558g5h4g).

Doch wie schaut der finanzielle Aspekt aus? Wie wir alle schmerzlich erfahren mussten, wird die kulturwissenschaftliche Keltologie an der Universität Wien als Fachbereich aussterben. Wir sind Teil der letzten Generation, die von diesem interdisziplinären Ansatz profitieren konnte. Dies erschwert zwar einerseits die Situation für diejenigen, die aus ihrer Passion - nämlich der Auseinandersetzung mit kulturwissenschaftlichen Fragen zu "den Kelten" - ihren Beruf machen möchten. Doch diese Situation sollte uns nicht alle Hoffnungen nehmen. Das breite Fachwissen und der inter-, bzw. transdisziplinäre Zugang zu verschiedenen Fachbereichen und Methoden ist eine große Stärke, die uns viele Tore öffnen kann. Die Diskurse um unsere wissenschaftlichen Begriffe und Konzepte - wie beispielsweise die "keltische Kultur" - sind durchaus auch auf andere Fachbereiche übertragbar. Verknüpfungen zu wichtigen Gegenwarts- und Alltagsthemen lassen sich zu Hauf herstellen und zum Zwecke der Beschaffung von Geldgebern vermarkten. Denn auch ohne in Esoterik oder "unseriöser" Pseudowissenschaft abzuschweifen können wir unsere wissenschaftlichen Konstrukte einem breiten Publikum auf fesselnde und bereichernde Art und Weise präsentieren. KeltologInnen sollten gerade in Zeiten, in denen eine universitäre Infrastruktur zusammenbricht, selbstbewusst, vernetzt und organisiert auftreten - und ihr Wissen und ihre Kompetenzen dazu nutzen, dies auf neuen und alternativen Wegen zu versuchen.

Ich möchte mich herzlich bei allen Proseminar TeilnehmerInnen herzlich für die rege Mitarbeit und der engagierten Beteiligung an den Diskussionen bedanken. Meine Ziele für das PS haben sich vollauf erfüllt und ich hoffe, dass nicht nur ich viele gute Anregungen, sowie neue Kontakte mitnehmen konnte.

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Über mich

Wien, Austria
Junior Researcher at AIT, Austrian Institute of Technology in Vienna.